Sonntag, 12. September 2010

Seit Tagen nun schon das gleiche Theater: Malwine, mein Kuhkalb ist nicht bei den anderen auf der Weide, sondern steht im Eingangsbereich, auf der Weide nebenan oder auf dem Stieg. Klar dass mich das ziemlich fuchste, schließlich waren die Weidebänder alle ordentlich freigeschnitten, es floss Strom, es war noch genug Gras auf der aktuellen Weide und Platz genug ist eigentlich auch. Jedesmal also schon mit Anspannung zur Weide, was mag jetzt wieder passiert sein, wo muss ich wieder Bänder flicken, Pfähle auswechseln, Isolatoren ersetzen, wer ist wo und warum und natürlich, wie bekomme ich möglichst unkompliziert alle dahin wo sie hingehören, etc. Innerlich verfluchte ich diese kleine, fiese Kuh, die mich so auf Trab hielt und mir den letzten Nerv raubte mit ihren Ausflügen. Wahrscheinlich ist ihr langweilig, oder sie will mit den anderen derzeit nichts zu tun haben, sie ist eben neugierig und abenteuerlustig - mal war ich einfach wütend und schimpfte, mal versuchte ich es mir zu erklären, versuchte Gründe, vor allem jedoch Lösungen dafür zu finden.

Gestern abend nun kamen mir erste Zweifel an meiner Sichtweise. Wieder sah ich sie schon beim Hochkommen draußen stehen, sie war das neue Alleestück entlangmarschiert, das Absperrband hing auf dem Boden, und die beiden großen Kühe standen innen auf der Weide auf gleicher Höhe. Ich ging also zu ihr und lotste sie wieder zurück zum Eingang, zog das Absperrband hinter ihr wieder fest und öffnete die Weide. Meine Leitstute schoss direkt auf Malwine zu, schlug heftig mit dem Kopf und hinderte sie am Reinkommen. Also erstmal das Pferd zurück in die Weide treiben, Malwine war inzwischen erneut ein Stück den Stieg hoch geflüchtet, und das obere Weideband zu. Während ich noch Melli beschimpfte und zurückdrängte, nutzte Malwine die Gelegenheit, schlüpfte rasch rein und lief mit den andern beiden Kühen Richtung hinteren Weideteil.

Heute morgen nun war es noch deutlicher. Ich war eigentlich froh, dass ich sie nicht auf dem Stieg stehen sah, merkte aber beim Betreten der Weide eine große Spannung. Alle Tiere schienen im hinteren Weideteil zu stehen, da ich direkt in die Sonne schauen musste, konnte ich nicht auf Anhieb sehen, ob alle da sind. Im Näherkommen sah ich dann, dass Malwine auf dem Stieg des Nachbarn draußen stand und sich alle anderen Tiere entlang des Bandes aufgebaut hatten. Sobald Malwine nach oben oder unten ging, folgte ihr der ganze Tross. Besonders der Hengst gallopierte ganz aufgeregt hin und her und scheuchte damit sogar meine beiden doch eher trägen Kühe auf, die nun ebenfalls gallopierten. Da es keine Lücke im Weideband gab, musste ich also irgendwo das untere Band aushängen und möglichst noch ein Absperrband quer über den Stieg ziehen, um sie wieder zurückhüten zu können. Also ging ich zurück zum Eingang, um erstmal den Strom abzustellen, die Tiere folgten mir und wieder nutzte Malwine die Gelegenheit, schlüpfte unter dem Band durch und gallopierte wie eine gesengte Sau zu ihrer Mutter.

So sieht keine Ausreißerin aus, keine, die abenteuerlustig die Welt entdecken möchte oder genug von der ganzen Bagage hat. Im Nachhinein betrachtet muss ich feststellen, dass sie stets in der Nähe der Weide blieb und die anderen Kühe in ihrer Nähe, dass sie sich recht problemlos wieder zurücklotsen ließ, also weder versuchte, vor mir zu fliehen oder in die andere Richtung wegzulaufen. Anschließend war sie dann bei den anderen Kühen und meist recht weit entfernt von Pferden und Eseln. Meine Vermutung ist jetzt, dass diese ganzen Aktionen irgendwie mit Felix und den verschiedenen Sprachen zusammenhängen: Für ihn ist es ein Spiel, junge Pferde rennen oft aufeinander zu um zu testen, wer zuerst ausweicht, um so Grenzen und Hierarchien abzustecken. Er ist dabei recht forsch, auch die Hunde fliehen recht kopflos, wenn er angallopiert kommt. Und gegenüber den Kühen kann er sich des Rückhalts seiner Pferde- und Eselkollegen sicher sein. Vielleicht ist das Ausbrechen von Malwine daher eher ein Flüchten, wenn sie in die Ecke gedrängt wird und nirgendwoanders mehr hinkann?

Jedenfalls entspannten sich alle augenblicklich, die Kühe zogen grasend ab, Pferde und Esel verteilten sich unter die Bäume und am Heuplatz und es herrschte wieder Ruhe und Frieden, als wäre gar nichts passiert. Vielleicht ist das ja Einbildung, aber ich hatte fast das Gefühl, sie waren froh, dass ich gekommen und wieder für "normale Verhältnisse" gesorgt hatte, angefangen von Felix, der gar nicht fassen konnte, dass sein Spielzeug plötzlich außerhalb seiner Reichweite war bis hin zu Tessa, die mich anschubste als wolle sie sagen "nun hilf doch endlich unserer Kuhschwester" - dabei lief es diesmal ja wirklich quasi von selbst.

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