patchworkhof
Projektnotizen, Gedanken, Kritisches
Donnerstag, 16. April 2020
Donnerstag, 12. Dezember 2019
Nur ein paar Gedanken
Ich
war nie dafür Unkraut totzuspritzen oder prophylaktisch Antibiotika
zu geben, Turbokühe mit Eutern so dick, dass sie kaum laufen können
und Mastrassen mit einem Wachstumsgen, das nicht gestoppt wird –
die ganzen traurigen Auswüchse der modernen Landwirtschaft. Und
trotzdem sind mir auf der anderen Seite die Auswüchse des Protestes
zu viel, zu laut, zu sehr darauf bedacht anzuklagen, mit dem Finger
auf andere zu zeigen, mitbrüllen, weil es gerade in ist, weil man so
gerne ein guter Mensch ist bzw. scheinen möchte.
Als
Stadtkind aufgewachsen war für mich klar, dass ich kein Tier töten
kann und folgerichtig auch kein Fleisch essen darf. Es war mir schon
damals unverständlich, wie viele Menschen den Zusammenhang Tier –
Schlachten – Fleisch voneinander trennen und das eingeschweißte
neutrale Stück Fleisch oder die Wurst gedankenlos essen können und
gleichzeitig Tiere töten furchtbar finden.
Auf
dem Land und durch den Aufbau einer kleinen Landwirtschaft wurden mir
die Zusammenhänge noch deutlicher, vieles von dem, was sonst
getrennt voneinander erlebt und erfahren wird, ist hier eine Einheit:
Schafe bekommen Lämmer, und einige Lämmer überleben das erste Jahr
nicht, Geburt und Tod sind allgegenwärtig, leben, aufwachsen,
sterben und auch schlachten sind eng miteinander verbunden.
Du
hältst Tiere, übernimmst die Verantwortung für ihr Leben,
ermöglichst ihnen ein artgerechtes Leben und arbeitest dafür, jeden
Tag, ohne Wochenende und Urlaub, bei jedem Wetter. Es bleibt ein
Kompromiss, denn nicht alle Bedürfnisse lassen sich komplett
erfüllen, aber selbst die Natur schafft das nicht.
Meinen
Tieren geht es gut, sie haben das ganze Jahr über Weidegang, sie
leben in ihrer Herde friedlich zusammen, haben im Winter Schutz im
Stall oder Unterstand und Futter und Wasser, und anders als die
Wildtiere müssen sie sich keine Gedanken darüber machen, wo das
Futter herkommt und ob es reichen wird, ob sie der Kälte, Unwettern
oder Schnee trotzen können oder Beute eines Fressfeindes werden.
Durch
die tägliche Arbeit für die Tiere und das Eingebundensein in diesen
Kreislauf ist es für mich daher nur eine logische Konsequenz, wieder
Fleisch zu essen. Ich helfe Lämmern im Bedarfsfall auf die Welt, ich
habe einen im Rivalenkampf schwerverletzten Hahn notgeschlachtet, und
ich kümmere mich bis zu ihrem Tod um sie. Die Verbundenheit zu ihnen
ist stärker und geht weit über die „wie süß, wie süß“-
Tierliebe vieler Städter hinaus.
Und
dann stehe ich plötzlich auf der „falschen Seite“? Die Kuh ist
der Buhmann, weil sie pubst und damit zum Klimakiller mutiert? Kein
Fleisch essen erscheint sinnvoller als den SUW stehenzulassen oder
auf den Flugurlaub in den Süden zu verzichten? Die
Fleischbestellungen brechen ein, so dass ich gezwungen bin, meine
Tiere weit unter Wert über den Viehhandel zu verkaufen, und meine
Jahreseinnahmen so schrumpfen, dass ich über Alternativen nachdenken
muss.
Nächstes
Jahr findet die 10. „Wir haben es satt“-Demonstration statt,
viele beteiligen sich daran, lautstark und mit gutem Gewissen, denn
„die da oben“ müssen endlich was tun, die Agrarlobby, die
Politiker, alle sind schuld. Dass aber für einen Landwirt ein
Fleischpreis von € 2,50/kg zur Existenzfrage werden kann, wenn er
dafür z.B. ein Rind für zwei Jahre füttert, pflegt, versorgt und
ihm ein artgerechtes Leben ermöglicht, das macht sich der
Plakateschwenker dabei nicht klar, Hauptsache laut, so einfach ist
das?